Droht andernfalls Arbeitslosigkeit, kann das Jobcenter dazu verpflichtet sein, einem Arbeitnehmer vorläufig ein Darlehen zur Anschaffung eines Pkw zu gewähren. Dies hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen im Rahmen eines Eilverfahrens entschieden. Im konkreten Fall war der Pkw zur Ausübung der Tätigkeit erforderlich und die Anschaffung nicht von vornherein unwirtschaftlich.
Die Antragstellerin ist seit Januar 2015 bei einer Leiharbeitsfirma als Pflegehelferin beschäftigt und bezieht ergänzend zu ihrem Lohn Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II). Um zu den verschiedenen Arbeitsorten zu gelangen, nutzt sie ihren privaten Pkw. Am 01.03.2015, einem Sonntag, informierte sie das Jobcenter (die Antragsgegnerin) per E-Mail darüber, dass ihr Auto am Vortag endgültig liegen geblieben sei und eine Reparatur 1.000 Euro kosten werde. Sie benötige für ihre Arbeit einen privaten Pkw und bitte um Unterstützung bei der Vermeidung der drohenden Arbeitslosigkeit. Am Folgetag beantragte die Antragstellerin telefonisch beim Jobcenter ein Darlehen zum Kauf eines neuen Pkw. Den Pkw erwarb sie an demselben Tag zu einem Kaufpreis von 2.400 Euro, wobei sie das alte Kfz in Zahlung gab (400 Euro). Das Jobcenter lehnte die Gewährung eines Darlehens ab, da es unter anderem davon ausging, dass der Antragstellerin das Geld für den Kauf des Autos zur Verfügung gestanden habe und es dem Verkäufer bereits übergeben worden sei.
Dagegen hat sich die Antragstellerin mit der Klage und mit einem Eilverfahren an das Sozialgericht (SG) Hannover gewandt. Aufgrund der Aussagen des Jobcentermitarbeiters sei sie davon ausgegangen, dass sie die Förderung erhalten werde. Dies habe sie dem Autohändler erzählt. Das SG hat die Gewährung des Darlehens im Rahmen des Eilverfahrens abgelehnt, da die Antragstellerin einen Anspruch auf die Darlehensgewährung nur bei einer Ermessensreduzierung auf null habe.
Das LSG hat das Jobcenter im Eilverfahren vorläufig verpflichtet, das Darlehen in Höhe von 2.000 Euro zur Bezahlung des bereits gekauften Pkw zu gewähren. Dabei ging das Gericht entsprechend der eidesstattlichen Versicherung der Arbeitnehmerin davon aus, dass sich der Verkäufer des Autos darauf eingelassen habe, zunächst nur das alte Auto in Zahlung zu nehmen und auf die kurzfristig folgende Zahlung des Jobcenters zu warten. Das LSG führte weiter aus, dass es zwar grundsätzlich eine Ermessensentscheidung des Leistungsträgers sei, ob ein Darlehen nach § 16 f SGB II gewährt werde. Hier habe das Jobcenter aber das Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da die individuelle Situation der Antragstellerin nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Da die Antragstellerin bei ihrem Arbeitsverhältnis auf einen Pkw angewiesen sei und sonst der Arbeitsplatzverlust drohe, sei es dem Jobcenter im Rahmen einer Folgenabwägung zuzumuten, ein Darlehen zu gewähren, zumal sich die Antragstellerin mit der Rückzahlung in monatlichen Raten von 200 Euro einverstanden erklärt habe.
Das LSG hat weiter ausgeführt, dass § 16 f SGB II dem Jobcenter die Möglichkeit gebe, die gesetzlich geregelten Eingliederungsleistungen durch freie Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zu erweitern. Diese Leistungen könnten auch präventiv zur Abwendung des Arbeitsplatzverlustes erbracht werden. Dies gelte auch dann, wenn trotz Erwerbstätigkeit weiter Hilfebedürftigkeit bestehe. Im Rahmen der freien Förderung komme auch grundsätzlich eine Darlehensgewährung zum Erwerb eines Pkw in Betracht. Die Antragstellerin und ihr Arbeitgeber hätten auch glaubhaft gemacht, dass für ihre Arbeitseinsätze Mobilität mit einem Pkw zwingend erforderlich sei. Ob der gekaufte Pkw marktpreisgerecht sei, müsse im Hauptsacheverfahren überprüft werden. Eine Pkw-Anschaffung für 2.400 Euro erscheine jedenfalls nicht von vornherein unwirtschaftlich.
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13.05.2015, L 11 AS 676/15 B ER
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