Beim Erbfall entsteht für bestimmte nahe Angehörige – etwa Kinder, Ehepartner oder Eltern des Verstorbenen – ein Anspruch auf den sogenannten ordentlichen Pflichtteil (§ 2317 Abs. 1 BGB).
Der ordentliche Pflichtteil ist ein Geldanspruch, der einem zusteht, wenn man enterbt wurde, also im Testament nicht bedacht wurde oder weniger erhält, als einem gesetzlich zustehen würde. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Voraussetzung: Man gehört zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen, hat nicht auf den Pflichtteil verzichtet, und der Anspruch ist nicht ausgeschlossen (§§ 2333 ff. BGB) oder verjährt (§ 2332 BGB).
Pflichtteil trotz Ausschlagung?
In der Regel gilt: Wer die Erbschaft ausschlägt, verliert auch seinen ordentlichen Pflichtteilsanspruch. Es gibt jedoch Ausnahmen:
- Wenn der Erbteil mit einer Beschwerung oder Auflage verbunden ist (§ 2306 BGB)
- Wenn ein Ehegatte im gesetzlichen Güterstand lebt und seinen Erbteil ausschlägt, um den Pflichtteil zu erhalten (§ 1371 BGB)
In diesen Fällen bleibt der Anspruch auf den ordentlichen Pflichtteil bestehen.
Wer muss zahlen?
Schuldner des Pflichtteils ist der bzw. sind die Erben. Sie müssen den Geldanspruch erfüllen. Der Pflichtteilsberechtigte kann sich also direkt an die Erben wenden.
Nicht nur Geld – auch Auskunft und Bewertung
Bevor man den genauen Betrag des Pflichtteils berechnen kann, hat man Anspruch auf Auskunft und Wertermittlung (§ 2314 BGB). Diese Ansprüche sind rechtlich eigenständig, aber helfen bei der Bestimmung der Höhe des ordentlichen Pflichtteils.
Der Erbe muss z. B. Auskunft geben über:
- Alle Nachlasswerte (Vermögen und Schulden)
- Schenkungen des Verstorbenen zu Lebzeiten
- Den Güterstand, in dem der Erblasser lebte
- Vorempfänge und Ausgleichspflichten
Wichtig: Ob aus diesen Angaben ein konkreter Zahlungsanspruch entsteht, entscheidet der Pflichtteilsberechtigte, nicht der Erbe. Auch wenn z. B. eine Schenkung länger zurückliegt, muss sie angegeben werden – die 10-Jahresfrist spielt für die Auskunft keine Rolle.
Wertermittlung: Was zählt wirklich?
Zusätzlich zur Auskunft ist der Erbe verpflichtet, den Wert der Nachlassgegenstände zu bestimmen – und zwar auf Kosten des Nachlasses. Entscheidend ist in der Regel der Wert zum Zeitpunkt des Erbfalls (§ 2314 Abs. 2 BGB).
Bei sogenannten Pflichtteilsergänzungsansprüchen – z. B. wegen größerer Schenkungen – zählt auch der Zeitpunkt der Schenkung. Hier gilt das Niederstwertprinzip (§ 2325 Abs. 2 BGB): Es zählt der niedrigere Wert.
Belege: Wann muss der Erbe Unterlagen vorlegen?
Normalerweise muss der Erbe keine Belege vorlegen. Ausnahme: Wenn ein Unternehmen Teil des Nachlasses ist, kann die Vorlage von Unterlagen verlangt werden – das ist gängige Rechtsprechung.